Deutscher Städtebaupreis - Bremen Kellogg Pier
Deutscher Städtebaupreis 2025
Das Projekt auf dem ehemaligen Kellogg’s-Gelände ist einzigartig, da es alte Industrieareale nachhaltig und innovativ neu nutzt. Der respektvolle Umgang mit Bestand, die multifunktionalen Nutzungen, Offenheit und Vernetzung mit dem Quartier, die vielfältige Anziehungskraft sowie die nachhaltige Herangehensweise mit weisen Ideen für zukünftige städtebauliche Herausforderungen belegen die beeindruckende Haltung und den starken Willen dieses Projekts – ein Paradebeispiel für innovative Stadtentwicklung.
Prämiert mit dem Sonderpreis 2025 Umbaukultur in der zirkulären Stadt
Prämiert mit dem Sonderpreis 2025 Umbaukultur in der zirkulären Stadt
Bremen Kellogg Pier

Die Jury:
Der KELLOGG Pier in Bremen zeigt, wie aus industrieller Architektur durch kreative Umnutzung, behutsamen Umbau und nachhaltige Energiekonzepte ein lebendiges Quartier mit neuer Identität entsteht – eine Verbindung von Vergangenheit und Zukunft. Alte Strukturen bleiben erhalten, während offene Zwischennutzungen, gemeinschaftliches Engagement und eine klare Vision die Transformation vorantreiben. Ein mutiges Zeichen für Bremen und eine nachhaltige, inspirierende Zukunft.
2018 verabschiedete sich Kellogg’s mit seinem Firmensitz aus Bremen und hinterließ ein brachliegendes Industrieareal. Die dafür gegründete Überseeinsel GmbH übernahm das Gelände, um es zu einem urbanen Quartier in der innenstadtnahen Bremer Überseestadt zu entwickeln. Für den Sonderpreis des Deutschen Städtebaupreises wurde eine zentrale Gebäudegruppe eingereicht – bestehend aus ehemaligen Getreidesilos, Büros und Lagerflächen auf dem 250.000 m² großen Areal.
Gleich zu Beginn der Umnutzung dieser Industriebrache öffnet sich das Gelände in das städtische Umfeld – ungewöhnlich, denn meist entsteht das Zentrum eines Quartiers erst am Ende einer Entwicklung. Hier ist es umgekehrt: Mit interessanten Angeboten tritt das Areal in Erscheinung und schafft neue Verbindungen. Wohnungsbau und weitere Arbeitsstätten folgen – und lassen eine vielversprechende Entwicklung erwarten.
Die Gruppe aus drei massiven Gebäuden – darunter die markanten Kellogg’s-Silos – bildet den Kern der Bewerbung. Seit den 1950er Jahren prägen die Silos als weithin sichtbare Ikonen das Bild des Bremer Hafens. Nach Überlegungen zu Kletter- oder Tauchsportnutzungen entschied sich der Investor schließlich überraschend für ein Hotel. Die innenliegenden Silos wurden entfernt, um die Erschließung der äußeren Silotürme zu ermöglichen. Alle massiven Bestandteile blieben erhalten – selbst die alten Trichterausgänge in den Decken der Hotellobby. In den Silos, benannt nach den Flockenerfindern John & Will, liegen heute statt Getreide Hotelzimmer: In acht Silotürmen stapeln sie sich über elf Geschosse. Ihre markante Silhouette macht sie weit über Bremen hinaus zum Symbol für gelungene Transformation – neue Nutzungsformen hatte man ihnen lange nicht zugetraut.
Das ehemalige Vitaminlager wurde mit minimalen Eingriffen zum Bürogebäude umgenutzt. Das frühere Reislager überstand die Sanierung nicht, wurde aber nach historischem Erscheinungsbild neu errichtet. Heute bietet es Raum für Gastronomie, Gewerbe, Büros, Handel und Coworking. Hier ist auch eine Brauerei ansässig, die ihren Hopfen aus der benachbarten Gemüsewerft bezieht. Das direkt am Kai gelegene Areal soll dauerhaft freigehalten werden. In einem gemeinnützigen Projekt wird dort intensiv angebaut – für die Gastronomie und den Verkauf an Bremer:innen.
Das kleine, zweigeschossige Bürogebäude dient mindestens für die nächsten 15 Jahre als Ort für Büros, Stiftungen und gemeinnützige Vereine wie Archive. Übergänge und Zwischennutzungen auf dem Gelände sind ausdrücklich gewünscht. Ein glattes, durchgestyltes Erscheinungsbild ist nicht das Ziel: Transformation ist gelebter Alltag. Schon jetzt ist die Dichte an Nutzungen auf dem kleinen Areal beachtlich. Im Winter bringt eine temporäre Eislaufbahn im Außenraum zusätzlich Leben auf das Gelände.
Das innovative Energiekonzept legt Wert auf Energiegewinnung, -versorgung und -verbrauch und ist einzigartig. Flusswärmetauscher, groß dimensionierte Wärmepumpen, kreative Speicherlösungen sowie der umfassende Einsatz von Solar- und Windenergie bilden die Kernbestandteile. Warm- und Kaltwasserproduktionen regeln die Gebäudetemperaturen und den Strombedarf. Die Eislaufbahn dient von November bis März als Speicher. Das energetische Konzept, das Strom und Wärme kombiniert, ist für das gesamte Quartier und darüber hinaus angelegt.
Ebenso wichtig ist die Minimierung des Energieverbrauchs: So verfügen die Hotelzimmer über keine Stromverbraucher wie Kühlschränke oder Fernseher, dafür stehen Karaffen mit frischem Wasser aus dem Spender in der Hotellobby bereit. Eine schlichte, formschöne Wärmeplatte sorgt für ausreichend Wärme oder Kühle im Raum. Es war eine große Herausforderung, einen Hotelbetreiber zu finden, der den Vorstellungen des Eigentümers entsprach.
Entsiegelungs-, lichtreduzierende Beleuchtungs- und Müllkonzepte sind selbstverständlich. Nach der Aufgabe des Areals gab die Überseeinsel GmbH den Startschuss für die Planungen durch eine Mehrfachbeauftragung, aus der das Büro Delugan Meissel Ass. Architekten aus Wien als Beauftragter hervorging. Die Rahmen- und Quartiersplanung liefen parallel, begleitet von einer sogenannten „gläsernen Werkstatt“. Diese förderte eine hohe Akzeptanz, auch wenn sicherlich die Neugier auf Mitwirkung und Teilhabe an diesem Projekt für viele ein wichtiger Antrieb war. Die Umwandlung des Areals wird zum Motor für den Wandel von einer alten zu einer neuen Identität des Ortes.
Der sensible, respektvolle Umgang mit dem Bestand, der zwischendurch als wertlos galt, die multifunktionalen Nutzungen, die Offenheit im und die Vernetzung mit dem Quartier, die vielgestaltige Anziehungskraft und die nachhaltige Herangehensweise mit vielen weisen Ideen für andere zukünftige städtebauliche Herausforderungen belegen eine beeindruckende Haltung und einen starken Willen, die diesem Projekt zugrunde liegen.
Der Kellogg Pier setzt ein klares Zeichen für den Umgang mit auch noch so sperriger Bausubstanz. Diese Haltung steht nicht nur für die Wertschätzung des Erhalts grauer Energie, sondern auch für alle Dimensionen der Nachhaltigkeit, wie Energieversorgung, Ernährung, Produktion, Gemeinnützigkeit und integrative Nachbarschaften. So entstehen nahezu nebenbei eine neue Baukultur und räumliche Identität, die aus der Transformation erwachsen.

Luftbild, ca. 1960er | © Historisches Archiv Überseeinsel

Historisches Silo, ca. 1960er | © Historisches Archiv Überseeinsel

Wasseransicht Kellogg Pier, 2021 | © Dr. Andreas Mueller

Luftbild, 2024 | © Landesamt GeoInformation Bremen

3D-Modell | © ROBERTNEUN

Rohbau Reishalle, 2021 | © Dr. Andreas Mueller

Fassade Hotel John & Will | © Ulf Duda


Betonschneidearbeiten | © Dr. Andreas Mueller

Gemuesewerft mit Hopfenanbau | © Dr. Andreas Mueller

Ansicht des Kellogg-Piers von der gegenueberliegenden Weserseite | © Dr. Andreas Mueller